Solothurn, Bischöfliches Archiv des Bistums Basel, Hs 2
Handschriftentitel: Stundenbuch
Entstehungsort: Flandern
Entstehungszeit: Mitte des 15. Jahrhunderts
Beschreibstoff: Pergament
Umfang:
104 Blätter
Format: 14 x 11 cm
Seitennummerierung: Neue Foliierung in Bleistift, historische Foliierung teils beschnitten
Lagenstruktur:
13 Quaternionen
Zustand: Bei der Neubindung im 16. Jhd. wurden die Blätter beschnitten. Dabei wurde keine Rücksicht auf die Ornamente genommen. Auch zwei Marginalien (fol. 50v und 76v) wurden beschnitten.
Seiteneinrichtung:
- Teil 1: Liniierung in rot, 16 Zeilen, Schriftraum 10 x 7,5
- Teil 2 (ab fol. 80r): 14 Zeilen, nur erste Seite 15 Zeilen, Schriftraum 9,5 x 7,5 cm
Schrift und Hände:
Textualis von zwei Händen; ab fol. 80r Wechsel
Buchschmuck:
-
1. Teil
- Initialen: zu Beginn jedes Abschnitts: dreizeilig, blau mit weissen Zierstrichen auf Goldgrund, Blattranke in Rot, Grün und Blau; übrige Initialen zweizeilig, in Gold, Purpur und Blau
- Lombarden in zwei Formen: in Gold mit schwarzem Fleuronnée oder Blau mit rotem Fleuronnée
- Rubrizierungen
- Miniaturen: Deckfarbenmalerei; Rahmenleisten in Gold, Purpur und Blau in Form von Stäben; an drei Seiten schwarze Fleuronnée-Ranken mit goldenen Knospen und Dreipass-Blättern (Goldrankenstil), Akanthusranken in Rot, Purpur, Blau und Grün; Disteln mit Blüten
- Fol. 8r: Maria und Johannes der Evangelist unter dem Kreuz
- Fol. 11r: Verkündigung an Maria
- Fol. 24r: Maria Königin mit Kind in einem Garten
- Fol. 57r: das Jüngste Gericht, Christus als Weltenrichter
- Fol. 69r: Requiem mit Tumbagebeten, um den Sarg stehen drei Kleriker und drei schwarzgekleidete Tauerfiguren
- Zierseiten: zu Beginn der Tageszeitenliturgien, Initialen über vier oder drei Zeilen, an drei Seiten Rahmenleisten in Gold, Purpur und Blau in Form von Stäben, schwarze Blattranken mit Goldknospen
-
2. Teil
- Initialen: zweizeilig in Rot und Blau
- Lombarden in Rot und Blau
- Rubrizierungen
Einband:
Holz, Samt, Metallbeschlag. Die Holzdeckel des Einbands sind mit dunkelrotem Samt bezogen. Der Stoffbezug besteht aus drei miteinander grob vernähten Stücken. Die vier Ecken sind mit Metall beschlagen, welches mit Rankenmotiven und Zierleisten geprägt ist. Die Buchschliessen sind intakt.
Inhaltsangabe:
Die beiden Handschriftenteile gehörten vor der Neubindung vermutlich nicht zusammen. Die Gradualpsalmen (Wallfahrtspsalmen) sind kein üblicher Bestandteil der sonst im Aufbau recht normierten flämischen Stundenbücher. Die sonst üblichen Horae de spiritu sancto, das Hl. Geist-Officium fehlen.
- Deckblatt späterer Eintrag: Liber Christianarum Praecum/ Anno 1716/ O! Pietas, O! Prisca Fides, O !Tempora, Mores!
- 2r-7v Kalender
- 8r-10v >Hore de sancta cruce< , Hl.-Kreuz-Officium, Hymnen und Orationen
- 11r-23v >Missa beate marie virginis< , Marienmesse, Proprium mit vier Evangelienperikopen und verschiedene Orationen zur Auswahl, Ordinarium ohne Hochgebet
- 24r-56v >Hore beate marie virginis< , vollständiges Marien-Officium
- 57r-65v >Septem psalmi penitentiales< , Busspsalmen
- 66r-68v Allerheiligen-Litanei
- 69r-79v >Vigilie mortuorum< , Totenvigil
- 80r-100r >Quindecim gradus< , Gradualpsalmen
- 100v-103r >Letania de sancta maria virgine< , Marien-Litanei
- 103v Deprecor te d[o]m[in]a sancta maria Mariengebet
Entstehung der Handschrift: Im Kalendarium lassen sich einige Beobachtungen machen. Er hat die übliche Form eines immerwährenden Kalenders mit Goldener Zahl und Sonntagsbuchstaben. Es sind die üblichen gebotenen Hochfeste eingetragen. Hinzu kommen wichtige Heiligenfeste, darunter einige französische Heilige, wie Eutropius von Saintes (29.4.), Bertin von St. Omer (5.9.) und Brictius von Tours (13.11). Von anderer Hand, ebenfalls in Textualis des 15. Jhds., wurden weitere Heiligenfeste eingetragen, die im flämischen und französischen Kulturraum eher ungewöhnlich sind: Kaiser Heinrich (13.7.), König Oswald (5.8.), die Stadtpatrone Zürichs, Felix und Regula 11.9.) sowie weitere Heilige der Thebäischen Legion: Mauritius (22.9.) und Urs (30.9.) mit ihren Gefährten. Das Fest des hl. Fridolin (6.3.) ist zudem in roter Farbe als Hochfest nachgetragen. Daraus lässt sich schliessen, dass das Stundenbuch schon bald nach seiner Entstehung in deutschsprachige Gebiete, vermutlich in die Region Hochrhein gelangt ist und von seinem Besitzer/ seiner Besitzerin den regionalen Besonderheiten angepasst wurde. Die zwei Marginalien sind Ergänzungen des 15. Jhds. zu Gebetsformeln.
Provenienz der Handschrift: Zur weiteren Provenienzgeschichte des Stundenbuchs ist nichts dokumentiert.
Erwerb der Handschrift:
Der Zeitpunkt der Aufnahme in die Sammlung des Bischöflichen Archivs in Solothurn ist unbekannt.