St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 855
Euw Anton von, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, Band I: Textband, St. Gallen 2008 (Monasterium Sancti Galli, Bd. 3), S. 353-354, Nr. 56.
Titolo del codice:
- , Grammatica – , De rhetorica – , Institutiones II – , De natura rerum – Verschiedenes; Zeichnungen
- , De rhetorica
- , Institutiones II
- , De natura rerum
- Verschiedenes; Zeichnungen
Luogo di origine: St. Gallen
Datazione: Mitte d. 9. Jh. und 880-890
Catalogue number:
56
Dimensioni:
429 pp.
Formato: 16,5 x 11 cm
Composizione dei fascicoli:
Quaternionen
Disposizione della pagina:
Schriftspiegel der Institutiones II 13 x 7,4 cm, einspaltig zu 17 Zeilen.
Tipo di scrittura e mani: kleine karolingische Minuskel in brauner Tinte, von mehreren Schreibern
Decorazione:
Titel in Capitalis mit Minium.
Contenuto:
-
Inhalt u. Schmuck: Wir beschränken uns auf den Cassiodor-Teil u. die autonomen Zeichnungen. Der Schmuck ist auf die Figuren in den Institutiones II (p. 187-346) und auf die Federzeichnungen der einst leeren Seiten 349-350 beschränkt. P. 352-397 folgt in der Hs. das metrische Handbüchlein des um 400 tätigen römischen Grammatikers . Die Schemen im Cassiodor werden durch folgende Figuren in Federzeichnung mit Tinte u. Minium belebt:
- p. 208 Rationales sunt aut legales frontaler Vogel, Tauben ähnlich
- p. 213 Omnis controversia fliegende Taube mit «Ölzweig»
- p. 220 Rhetorica argumentatio Büste eines bärtigen Mannes, Ranke im Hintergrund
- p. 243 Formulae categoricorum hockender Löwe mit heraushängender Zunge
- p. 244 Modiformulae primae sunt VIIII galoppierender Stier
- p. 245 Modiformulae secundae Ziege (?)
- p. 260 Divisio topicorum Victoria mit Palmzweigen in beiden Händen u. Krönchen auf dem Haupt
- p. 261 Argumenta quae de eo ipso Adler mit gespreizten Flügeln
- p. 262 Effecta argumenta schreitender Löwe mit heraushängender Zunge
- p. 267 Argumenta ducuntur schreitender Hirsch
- p. 276 Divisio mathematicae Panther oder Kampfhund mit Halsband u. Leine
- p. 282 Numerus autem dividitur Hase im Sprung
- p. 285 Altera divisio de partibus Löwin oder Hündin mit fünf Zitzen u. Halsband, den Kopf zurückgewandt
- p. 287 Teria divisio totius numeri Taube im Profil
- p. 295 Sequitur quarta divisio großer Fisch
- p. 305 Musicae partes Büste eines behelmten Mannes mit «Palmzweig» in der Rechten, rechts davon Kantharos
- p. 306 Instrumentorum musicorum genera Delphin
- p. 308 Symphoniae autem sunt sex schreitender Löwe
- p. 322 Geometria dividitur rückwärts schauender Vogel. Der Zeichner entwickelt für den Leser der Schemen gleichsam ein Bestiar, dessen Deutung und Stilbestimmung aufgrund der oft dilettantischen Ausführung schwer fällt. Unmittelbare Beziehungen zu den Sternbildern in den Sang. 902 u. 250 (Nr. 119-120) ergeben sich nicht.
Origine del manoscritto:
- Die Federzeichnungen auf den ursprünglich leer gelassenen Seiten 349-350 können als Probationes pennae eines im Zeichnen sehr begabten Lesers aus der Zeit um 880-890 betrachtet werden: p. 349 außergewöhnlich vollkommen gezeichnetes Pferd im Schritt, darunter Akanthusranke, rechts oben lagernder Ziegenbock, darunter desgleichen; p. 350 Krieger mit Schild u. Speer, aufsteigend auf grasbewachsenem Hügel, im Dreiviertelprofil, die Rechte am mit der Spitze nach oben aufgestellten Speer, die Linke am oberen Rand des Rundschildes. Darunter Monogramm in Radform mit 7 Speichen, an deren Enden Buchstaben angebracht sind (ungedeutet). Über dem Kopf des Kriegers schräg nach oben geschriebenes, verschmiertes Wort in Majuskeln. In Kopfhöhe winzige Minuskelschrift: bene, benedic, ben omnes de saba ven; in Halshöhe: bene, omnes de saba veni//ent aurum et tus def(e)r(entes); rechts neben dem Berg der Buchstabe n. Die aus Is 60,6 stammenden Worte paraphrasieren Ps 71,10 und weisen die Figur eindeutig als König Salomo aus. Es handelt sich um einen Entwurf (?) für die im Psalterium aureum Sang. 22 (Nr. 98) auf p. 168 zu Ps. 71 nicht ausgeführte Zeichnung. Der Psalmtitulus «In Salomonem psalmus» kündigt das Thema an. Das «n» assoziiert den Namen Notker (Balbulus, um 840-912).
- Stilgeschichtlich könnte man die Figuren im Cassiodor-Teil beispielsweise mit dem Paulusbild aus der Zeit des Wolfcoz in Stuttgart HB II 54 (Nr. 21) in Verbindung sehen. Die Zeichnungen auf p. 349-350 sind, wie die Akanthusranke zeigt, in die 80er-Jahre des 9. Jh. hinaufzurücken. Sie stammen wohl von einer Hand, die auch im Sang. 433 (Nr. 78) tätig war. Die st.gallische Prägung der Ranke kennzeichnen die kleinen und größeren Sporangien. Der Graswuchs am Hügel, den der Krieger besteigt, hat seine Parallelen an fast allen Miniaturen des Psalterium aureum. Vgl. Nr. 98.
Bibliografia:
- Scherrer, S. 289f.
- Stettiner, Prudentiushandschriften, S. 93.
- Merton, S. 61f.
- Bruckner III, S. 119, Taf. XXXVII.
- Ochsenbein, in: Kirchenväter in St. Gallen, S. 26, Abb. S. 25.
- Schmuki, in: Cimelia Sangallensia, Nr. 23.