St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 733
Mordek Hubert, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta. Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse, Monumenta Germaniae Historica, München 1995, S. 676-680.
Origine: Südwestdeutschland
Période: 9. Jh., 1. Viertel
Ancienne Cote:
D. n. 397
Support: Pergament
Volume:
46 foll.
Format: 180-185 x 110-115 mm
Numérotation des pages: Paginiert 1-88, die beiden leeren Blätter am Anfang und Schluß am Buchdeckel eingeklebt und nicht gezählt.
Composition des cahiers: 5 IV78 + (IV - 2)<90>.
Mise en page:
140 x 71-80 mm, 17 Zeilen.
Type d'écritures et copistes:
Breite karolingische Minuskel.
Décoration: Text, Rubriken (Unziale), Initialen und Zahlen: alles in dunkelbrauner bis schwarzer Tinte.
Reliure:
Alter brauner Ledereinband um Holzdeckel; Schließenlöcher noch sichtbar. Alte Rückenaufschrift (quer): <CAPI>T<UL>A KAROLl. Rot umrandetes Rückenschild aus Papier mit der Aufschrift (19. Jh.): Capitularia Caroli M. item fragmenta Capitula Pippini.
Sommaire:
Kleine Gebrauchshs. mit einer alten Kapitulariensammlung, die aller Wahrscheinlichkeit nach schon zur Zeit Karls des Großen entstanden ist, denn sämtliche Kapitularien datieren zwischen 779 und 789.
So ähnlich dürfte die Vorlage ausgesehen haben, aus der Kapitularien in einen bestimmten Traditionszweig der Collectio canonum Vetus Gallica eingeflossen sind (Codd. Brüssel 8654 -72, St. Gallen 675, eventuell auch Paris Lat. 1603, siehe jeweils dort).
Vor allem zeigt sich an Cod. St. Gallen 733 der Mindestumfang jenes wichtigen Kapitularienwerkes, das wesentlich auf die italienischen Sammlungen der Karolingerzeit gewirkt hat. Außer MGH Capit. 1, Nrn. 20 (Herstal in der Forma communis), 22 und 23 (Admonitio generalis mit Duplex capitulare missorum), 97 und 94 (Brief Karls des Großen an die italienischen Amtsträger und Pippins Kapitular von Pavia von 787) umfaßte es wohl noch die Nm. 95, 98 (Karls des Großen Capitularia Italica von 787 und 801), 39 und 40 (Capitulare legibus additum und Capitulare missorum von 803), denn sie alle fanden fast durchgängig Aufnahme in den großen, erheblich mehr Material inkorporierenden italienischen Sammlungen der Codd. Paris Lat. 4613 (ohne Nr. 97), St. Paul im Lavanttal 4/1 (ohne Nrn. 22, 23, 97, 40), Ivrea XXXIII, Ivrea XXXIV, München Lat. 19416 (ohne Nr. 94), Wolfenbüttel Blankenb. 130 und des Lupus von Ferrieres (Modena 0.1. 2 und Gotha Memb. I 84). Die letzten fünf Sammlungen sind zudem verbunden mit den Nrn. 41 (Capitulare legi Ribuariae additum; nicht in Lupus' Liber legum), 129 (Iudicatum regium), 43, 44 (Kapitularien von Diedenhofen) und 112 (Konzile von Reisbach, Freising und Salzburg, cc. 13 -15; Vollform nur in Cod. Wolfenbüttel Blankenb. 130), was für eine einst gemeinsame (Zwischen-)Vorlage spricht. Keines der Stücke geht übrigens über das Jahr 805 hinaus. Zu den Fragmenten italienischer Kapitulariensammlungen in den Codd. München Lat. 29555/1 und Vatikan Reg. Lat. 263 siehe jeweils am Ort.
Es war - dies sei nachdrücklich betont - das oben angesprochene, wohl in die Spätzeit Karls des Großen zu setzende Kapitularienwerk mit seinem durchaus auch allgemeingültigen Kapitularienrecht wie etwa dem Capitulare Haristallense in der Forma communis, nicht in der späteren Forma Langobardica, welches im karolingischen Italien eine bedeutende Rolle spielte. Über seine Entstehung läßt sich wenig Sicheres sagen, denn wir begegnen ihm schon früh nördlich wie südlich der Alpen, so daß die These einer italienischen Herkunft ebenso möglich scheint wie die m. E. näherliegende Annahme, es sei (vom Hofe?) für Italien geschaffen worden.
Unsichtbar in der Überlieferung des 9. Jahrhunderts dagegen bleibt das vor allem von italienischen Forschern postulierte sog. Capitulare Italicum, und so fehlt der Beweis, daß es vor dem 10. Jahrhundert ins Leben getreten sei. Offenbar regte der Liber Papiensis zu einer Rückprojektion in ältere Zeit an, und es bleibt schwer verständlich, wie das Capitulare Papiense Lothars I. (a.832) "il primo nucleo di una piu ampia raccolta, nota col norne di Capitulare Italicum" (Astuti, Lezioni, S. 131) gewesen sein soll, wenn dieser Kern, zu dem auch die Erlasse der Karolinger seit den letzten Dezennien des 8. Jahrhunderts gerechnet werden, schon um einiges früher faßbar wird. Die Frage des sog. Capitulare Italicum wie überhaupt das Problem der Ausbildung der karolingischen Kapitulariensammlungen und ihre Geschichte bedarf noch eingehender Untersuchungen.
So ähnlich dürfte die Vorlage ausgesehen haben, aus der Kapitularien in einen bestimmten Traditionszweig der Collectio canonum Vetus Gallica eingeflossen sind (Codd. Brüssel 8654 -72, St. Gallen 675, eventuell auch Paris Lat. 1603, siehe jeweils dort).
Vor allem zeigt sich an Cod. St. Gallen 733 der Mindestumfang jenes wichtigen Kapitularienwerkes, das wesentlich auf die italienischen Sammlungen der Karolingerzeit gewirkt hat. Außer MGH Capit. 1, Nrn. 20 (Herstal in der Forma communis), 22 und 23 (Admonitio generalis mit Duplex capitulare missorum), 97 und 94 (Brief Karls des Großen an die italienischen Amtsträger und Pippins Kapitular von Pavia von 787) umfaßte es wohl noch die Nm. 95, 98 (Karls des Großen Capitularia Italica von 787 und 801), 39 und 40 (Capitulare legibus additum und Capitulare missorum von 803), denn sie alle fanden fast durchgängig Aufnahme in den großen, erheblich mehr Material inkorporierenden italienischen Sammlungen der Codd. Paris Lat. 4613 (ohne Nr. 97), St. Paul im Lavanttal 4/1 (ohne Nrn. 22, 23, 97, 40), Ivrea XXXIII, Ivrea XXXIV, München Lat. 19416 (ohne Nr. 94), Wolfenbüttel Blankenb. 130 und des Lupus von Ferrieres (Modena 0.1. 2 und Gotha Memb. I 84). Die letzten fünf Sammlungen sind zudem verbunden mit den Nrn. 41 (Capitulare legi Ribuariae additum; nicht in Lupus' Liber legum), 129 (Iudicatum regium), 43, 44 (Kapitularien von Diedenhofen) und 112 (Konzile von Reisbach, Freising und Salzburg, cc. 13 -15; Vollform nur in Cod. Wolfenbüttel Blankenb. 130), was für eine einst gemeinsame (Zwischen-)Vorlage spricht. Keines der Stücke geht übrigens über das Jahr 805 hinaus. Zu den Fragmenten italienischer Kapitulariensammlungen in den Codd. München Lat. 29555/1 und Vatikan Reg. Lat. 263 siehe jeweils am Ort.
Es war - dies sei nachdrücklich betont - das oben angesprochene, wohl in die Spätzeit Karls des Großen zu setzende Kapitularienwerk mit seinem durchaus auch allgemeingültigen Kapitularienrecht wie etwa dem Capitulare Haristallense in der Forma communis, nicht in der späteren Forma Langobardica, welches im karolingischen Italien eine bedeutende Rolle spielte. Über seine Entstehung läßt sich wenig Sicheres sagen, denn wir begegnen ihm schon früh nördlich wie südlich der Alpen, so daß die These einer italienischen Herkunft ebenso möglich scheint wie die m. E. näherliegende Annahme, es sei (vom Hofe?) für Italien geschaffen worden.
Unsichtbar in der Überlieferung des 9. Jahrhunderts dagegen bleibt das vor allem von italienischen Forschern postulierte sog. Capitulare Italicum, und so fehlt der Beweis, daß es vor dem 10. Jahrhundert ins Leben getreten sei. Offenbar regte der Liber Papiensis zu einer Rückprojektion in ältere Zeit an, und es bleibt schwer verständlich, wie das Capitulare Papiense Lothars I. (a.832) "il primo nucleo di una piu ampia raccolta, nota col norne di Capitulare Italicum" (Astuti, Lezioni, S. 131) gewesen sein soll, wenn dieser Kern, zu dem auch die Erlasse der Karolinger seit den letzten Dezennien des 8. Jahrhunderts gerechnet werden, schon um einiges früher faßbar wird. Die Frage des sog. Capitulare Italicum wie überhaupt das Problem der Ausbildung der karolingischen Kapitulariensammlungen und ihre Geschichte bedarf noch eingehender Untersuchungen.
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1-10
I cap. - XXIIII -
Capitulare Haristallense
(a. 779) in der Forma communis: In christi nomine anno felicissimo undecimo regni domini nostri karoli regis gloriosissimi in mense martio factum capitulare - consenserunt decretum. De metropolitanis ut suffraganii epis. secundum canones - emendauerit moriatur.
- MGH Capit. 1, Nr. 20, S.47 Anm. a, S. 47 Z. 16 - S. 51 Z. 26.
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10-15
Cap. I - X cp. -
Capitulare cum episcopis Langobardicis deliberatum
(a. 780/790), nur hier überliefert: De statu eclesie et honore pontificum - proceribus sustinere. EXPLICIT.
- MGH Capit. 1, Nr. 89, S. 189 Z.9-38.
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15-64
Admonitio generaIis
(a.789):
regnante domino nostro iesu christo in perpetuum. Ego karolus gratia dei eiusque misericordia donante rex …–…
gloria domino nostro iesu christo amen
- MGH Capit. 1, NI. 22, S. 53 Z. 21 - S. 62 Z. 14.
- de Clercq, Neuf capitulaires, S. 14 - 34.
- MGH Capit. 1, S. 62 Z. 32-34.
- de Clercq, Neuf capitulaires, S. 14- 34.
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64-71
I cap. - XVI und I-XXI -
Duplex capitulare missorum
(a.789?): De monachis girouagis uel sarabaitis (gegen Boretius: sarabatos) - ex auctoritate regule. Ut comites pupillorum et oifanorum - ipsis ostendant
- MGH Capit. 1, NI. 23, S.63 Z. 1-24, S.63 Z.25 - S.64 Z. 31.
- ce. 17 ff. der Edition = I ff. in der Hs.
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72-75
Karoli Magni epistola in Italiam emissa
(a. 779/781):
Karolus gratia dei rex francorum et langobardorum …–…
decreuimus roborare
- MGH Capit. 1, NI. 97, S. 203 Z. 17 - S. 204 Z. 4.
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75-79
V cap. - XII capi. -
Pippini Italiae regis capitulare Papiense
(a.787), ce. 5 - 9 und 12-14:
Stetit nobis de illos homines …–…
bandum nostrum conponat. EXPL. CAP.
- MGH Capit. 1, NI. 94, S. 199 Z. 12-31, S. 199 Z. 42 S. 200 Z. 9.
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79-85
Defensor von Liguge, Liber scintillarum, c. 29, hier mit der Überschrift: collectio de decimis dandum
- ed. H. M. Rochais, CCL 117 [1957] S. 116-118.
- 86-87 Leer.
- 88 Oben zitierte Zeitangabe. St. Galler Besitzstempel.
Origine du manuscrit: 9. Jh., 1. Viertel (vgl. den nicht von der Haupthand geschriebenen Nachtrag auf p. 88: Sunt enim anni ab incamatione domini usque ad hoc tempus id est XII hludouuici imperii annum, danach 1 1/2 Zeilen Rasur).
Provenance du manuscrit:
Besitzvermerk p. 1 oben: Liber S. Gallj. Auf dem ersten unnumerierten Blatt verso Inhaltsverzeichnis von der Hand Etienne Baluzes; gehörte also zu den St. Galler Hss., die auf Veranlassung Jean-Baptiste Colberts an Baluze nach Paris ausgeliehen wurden (wohl das "vetus exemplar Capitularis Aquisgranensis anni DCCLXXXIX" bei Baluze, Capitularia 1, Praefatio, § LXXII. Exzerpte aus der Hs. finden sich in Cod. Paris, Bibliotheque Nationale, Baluze 2, foll. 237v, 254r
und Baluze 94, foll. 34r-v, 48r-v). Alte St. Galler Signatur (p. 1 oben): D. n. 397 (Katalog P. Kolb).
Bibliographie:
- G. Scherrer, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen (Halle 1875) S. 241 f.
- The Palaeographical Society. Facsimiles of Manuscripts and Inscriptions, ed. E. A. Bond - E. M. Thompson, 3 (London 1873 -1883) Kommentar zu Pi. 209.
-
Bruckner, Scriptoria 2 (1936) S. 80 u. ö.
- MGH LL 1, S. XXV.
- K. Wegelin, Nöthige Bemerkungen nach angestellter Vergleichung etlicher Handschriften der St. Gallischen Stiftsbibliothek, in: Archiv 6 (1831-1838) S. 485.
- H. Hattemer, St. Gallen's altteutsche Sprachschätze. Denkmahle des Mittelalters (St. Gallen 1844) S. 387 ff.
- Boretius, Capitularien im Langobardenreich S. 28 f.
- Zeumer, Anmerkung über die sogenannte Admonitio generalis, S. 405 f.
- MGH Capit. 2, S. XXX.
- de Clercq, La legislation religieuse franque 1, S. 160 Anm. 3.
- Stein, Etude critique, S. 22 f.
- Mordek, Karolingische Kapitularien, S. 40 Anm. 81, S. 42 Anm. 92 und 101.
- The Palaeographical Society. Facsimiles […] 3, PI. 209 (pp. 36 - 37).
- MGH LL 1, TaL I, 4 nach S. XVIII (Druckfehler: 773).
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Literatur
Abbildung
Nachzeichnung