St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 451
Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2: Abt. III/2: Codices 450-546: Liturgica, Libri precum, deutsche Gebetbücher, Spiritualia, Musikhandschriften 9.-16. Jahrhundert, Wiesbaden 2008, S. 8-9.
Manuscript title: , Martyrologium (Fragment)
Date of origin: 9./10. Jh.
Former shelfmark:
S. n. 152
p.1.
Support: Pergament. Starkes Kalbspergament guter Qualität, einzelne Löcher.
Extent:
54 Seiten
Format: 24,5 x 17 cm
Foliation: Tintenpaginierung I. v. A., unter Einschluss des papierenen Vor- und Nachsatzes p. 1-4, 51-54.
Collation: Die Hs. ist offensichtlich Fragment, von dem drei Quaternionen erhalten sind, zeitgenössisch nummeriert in grossen römischen Zahlen i-iii, je auf dem letzten Blatt, unten Mitte.
Page layout:
Einspaltig 18,5 x 12,5/13,5 cm, 18 Z.
Writing and hands: Grosse, früher als irisch betrachtet, jetzt als angelsächsisch angesehene, ev. auch in Fulda (nach-)kreierte Schrift (dazu s. u.
Lehmann
und
Bischoff
) von einer versierten, etwas massiven Anlagehand, die wegen des angedeuteten Sondercharakters der Handschrift schwer datierbar ist, aber vom 9./10. Jh. an als möglich zu betrachten ist. Der Codex ist ein interessantes, wenig gebrauchtes und von der Forschung erst spät beachtetes Beispiel angelsächsischer Schrift des 9./10. Jhs. In der Literatur ist Quentin (s. u.) der einzige, der die Hs. mit den « libri scottice scripti » in Verbindung bringt. Herstellung auf dem Kontinent, ev. auch von einem Gast in St. Gallen während oder nach der Zeit Moengals, ist möglich; jedoch ist von der Datierung her die Verbindung zu Moengal alles andere als zwingend. Quentin verweist auf den zugefügten Eintrag Kilians zum 8. Juli und neigt ebenfalls zur Herstellung auf dem Kontinent. Keine späteren Einträge, auch nicht auf den zahlreichen freien Tagen im Kalendar; die Hs. war nach der Niederschrift durch die Anlagehand weder weiter in Arbeit noch je stark im Gebrauch, was die Vermutung einer Nachschöpfung auf dem Festland unterstützen könnte
Decoration: Die Titel und die meisten Init. in schwarzer Tinte, die Auszeichnungsschriften variieren eine insular stilisierte Capitalis quadrata. Schwache, fast nur auf die Sonntagszahlen im Kalendar angewendete Rubrizierung; grössere Init. p. 14, 19, 43 mit je einem Vogelkopf, weiter p. 5, 24 und 37, diese letztere als einzige rot.
Contents:
- 4 Inhaltsvermerk I. v. A. Martÿrologii romani Pars. Finit in festo S. Jacobi. Est scriptum charactere Scottico, seu anglosaxonico. Nec verbulo se prodit, an in S. Gallo, an alibi sit exaratus. Solummodo pag. 30 habet: « sancti patris nostri athanastasii, i. e. athanasii » pag. 32 « sancti patris nostri Epifanum (?) », et pag. 47 « sancti patris nostri arseni » at sanctos Angliae vel Hÿberniae nullo distinctionis genere scribit.
-
5-50
Martyrologium, Jan. - 25. Juli (Fragment)]
kalendas ianuarii octabas domini et nativitas alamachi qui lubente alypio urbis prefecto …
49 xi kalendas augusti nativitatis mariae magdalenae …
50 … sub vespassiano caesare demostene patricio rexit aeclesiam
annis xxviii dies iiii. x.viiii kalendas augusti. viii nativitas sancti Iacobi
zebedei apos. [toli]
// bricht ab.
- Borst, Kalenderreform (1998), unsere Hs. unter den Plenarmartyrologien als Leit-Hs. m2 p. XXIX, 205-207 (Lit.), 808 (Reg.);
- Ders., Reichskalender (2001), unsere Hs. (m2) p. XXIII;
- Quentin, Manyrologes (1908), p. 18f., 47f., 115 e.a., s. Reg. p. 703;
- Dubois, Martyrologes (1978), p. 38: "Dom Quentin a reconnu en lui [Cod. 451] le témoin le plus proche de l'original, le meilleur représentant de la première famille des manuscrits";
- vgl. auch Ders., Martyrologes: d'Usuard au martyrologe romain, Paris 1990, p. 8f., mit kurzer Erwähnung unserer Hs.;
- Max L. Laistner, A Hand-List of Bede Manuscripts, Ithaca, New York 1943, unsere Hs. erw. p. 92;
- Ochsenbein/Schmuki/Dora, Kirchenväter (1997), p. 93-95;
- Petra Kehl, Kult und Nachleben des hl. Bonifatius im Mittelalter (754-1200), Fulda 1993, unsere Hs. p. 54 erw. wegen des Nachtrags von Bonifatius.
Provenance of the manuscript: In StiBSG spätestens seit 16. Jh. wegen des Stempels D. B.
p. 5; ev. als Fragment erst im
18. Jh. mehr beachtet und darum neu gebunden und katalogisiert. Auch die Zuweisung an einen Eintrag im Bibliothekskatalog des 9. Jhs. (Cod. 728) ist seit Quentin (s. u.) bis in jüngste Zeit nie erfolgt (vgl. Ochsenbein/Schmuki/Dora, s.u.).
Bibliography:
- Bruckner, Scriptoria III (1938), p. 105, Tf. XIII mit Abb. von p. 14 unserer Hs., einzig mit Bezeichnung der Schrift als "irischer Spitzschrift", Mitte 9. Jh., welche Datierung wohl zu früh angesetzt ist;
- neue Abb. in Ochsenbein/Schmuki/Dora, Kirchenväter (1997), p. 93-95, als einzige Hs. unter den Werken Bedas der StiBSG in angelsächsischer Schrift; die vorgeschlagene Zuweisung an einen Eintrag im Kat. Cod. 728 steht ohne Angabe oder Zitat der Quellenstelle;
- Paul Lehmann, Die alte Klosterbibliothek Fulda und ihre Bedeutung, in: Erforschung des Mittelalters 1, Stuttgart ²1959, p. 225: angelsächsische Kalligraphie Fuldaer Prägung;
- nach Fulda verweist auch Bernhard Bischoff, in: Hjb 59, 1939, p. 248;
- zu diesen Autoren und zur Fuldaer Zuweisung neu Klaus Gugel, Welche erhaltenen mittelalterlichen Handschriften dürfen der Bibliothek des Klosters Fulda zugerechnet werden?, Tl. I: Die Handschriften, Frankfurt 1995, p. 79;
- Quentin, Martyrologes (1908), p. 18 f.;
- James M. Clark, The Abbey of St. Gall as a Centre of Literature and Art, Cambridge 1926, Tafel nach p. 110 mit Abb. von p. 6 der Hs.;
- Johanne Autenrieth, Insulare Spuren in Handschriften aus dem Bodenseegebiet bis zur Mitte des 9. Jhs., in: Paläographie 1981. Kolloquium des Comité International de Paléographie, München, 15.-18. Sept. 1981 (= Münchner Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 32), München 1982, Anhang p. 165;
- Hs. nicht erfasst bei Duff/Meyer, Miniaturen (1953);
- Meta Niederkorn-Bruck, Das Salzburger historische Manyrolog aus der Arn-Zeit […] , in: Dies./ Anton Scharer [Hgg.], Erzbischof Am von Salzburg, Wien 2004, p. 155-177.