Die Handschrift ist im späten 14. und kurz nach der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden. Ein erster Teil (p. 17–347) wurde grösstenteils von Johannes Schorand geschrieben (ausser p. 17–47) und ist auf p. 123, 303 und 347 auf 1398 datiert. Die Seiten p. 348–412 sind von mehreren Händen des 15. Jahrhunderts geschrieben. Der letzte Teil (p. 413–538) stammt von der Hand des Dominikaner-Fraters Cuonradus Bainli und enthält mehrere Datierungen: 1455 (p. 470, 475 und 488) sowie 1458 (p. 538). Die Handschrift enthält überwiegend Predigten, aber auch andere, vor allem theologische Texte: Auf p. 17–124 stehen die Sermones super Pater noster des Godefridus Heriliacensis (aus Erlach am Bielersee), gefolgt auf p. 124–303 von Predigten De tempore. Das Explicit auf p. 303 (Explicit Jacobus de Foragine) ist irreführend; nur wenige Predigten stammen von Jacobus de Voragine. Vielmehr sind die ersten 58 Predigten identisch mit einer Predigtsammlung eines anonymen Franziskaners, die in Oxford, Merton College, MS 236 (15. Jh.) überliefert ist und nach ihrem dortigen Incipit als „Mendicus“ bezeichnet wird. Ab dem 11. Sonntag nach Pfingsten handelt es sich in Cod. Sang. 329 um eine Mischung aus der „Mendicus“-Predigtsammlung und zusätzlichen Predigten aus den Sermones de tempore von Jacobus de Voragine. Auf diese beiden Predigtsammlungen folgen einige kürzere Texte: p. 304–347 der Tractatus de symbolo fidei von Aldobrandinus de Toscanella, p. 348–353 eine Predigt zum Osterfest aus der Expositio evangeliorum dominicalium des Albertus Patavinus (Inc. Maria Magdalene et Maria Jacobi et Salome emerunt aromata … Licet magna leticia sit rem desideratam invenire), p. 355-357 kirchenrechtliche Vorschriften, p. 358-360 das Kapitel De sancto Petro apostolo aus der Legenda aurea des Jacobus de Voragine und p. 363-413 ein Tractatus de amore dei, anime. Die von Cuonradus Bainli geschriebenen Seiten beginnen p. 413–475 mit dem Commentarius in decem praecepta des Hainricus de Frimaria (mit ausführlichem Register p. 470–475), darauf folgen p. 479–488 ein Sermo de sacramento corporis Christi sowie p. 488–538 ein Text mit dem Titel Biblia virginis Marie, mit ausführlichem Register p. 488–491. Der Codex weist verschiedene zeitgenössische Foliierungen auf. Besitzer der Handschrift waren Johannes Lener und nach dessen Tod Johannes Engler (vgl. Anmerkungen von der Hand Johannes Schorands p. 124 und 347, von Hand des 15. Jh. korrigiert bzw. ergänzt). Spätestens seit der Mitte des 16. Jahrhunderts befand sich die Handschrift in der Bibliothek des Klosters St. Gallen (p. 353 Bibliotheksstempel des Abts Diethelm Blarer aus der Zeit 1553–1564).
Online seit: 20.12.2023
Der einzige Schreiber dieser Papierhandschrift notierte zwei Kolophone, die die Daten der Fertigstellung seiner Abschrift im Mai und Juni 1398 festhalten (p. 187 und 448). Der erste Teil der Handschrift (p. 3-187) enthält eine Reihe von anonymen Predigten, die von Johannes dem Täufer, der Jungfrau Maria, der Kirchweihe etc. handeln. Die folgenden Seiten überliefern Materialien für weitere Predigten, deren Beginn jedoch fehlt (p. 189-204). Dann schliesst sich eine Reihe von leeren Seiten an (p. 205-220). Der zweite, datierte Teil der Handschrift vereint einen Traktat über die fünf Sinne, wie ein erstes Explicit vermerkt (p. 252), und weitere Predigten, wovon eine auf Deutsch verfasst wurde (p. 258-259). Die Handschrift befindet sich spätestens seit dem 15. Jahrhundert im Kloster St. Gallen, wie ein Besitzeintrag zeigt (p. 1). Unter den zahlreichen Falzverstärkungen befinden sich 16 Fragmente aus einer hebräischen Handschrift, die in aschkenasischer Quadratschrift einen Text des Talmuds vom Ende des 13. Jahrhunderts oder vom Anfang des 14. Jahrhunderts überliefern (vgl. die Beschreibung von Justine Isserles, Books within books, 2024). Die anderen, lateinischen Fragmente stammen aus einer Urkunde des 14. Jahrhunderts.
Online seit: 31.05.2024