Cologny, Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 42
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Wetzel René, Deutsche Handschriften des Mittelalters in der Bodmeriana, Cologny-Genève 1994, S. 32-37.

Handschriftentitel: Ulrich Boner: der Edelstein
Entstehungsort: Werkstatt des Diebold Lauber, Hagenau
Entstehungszeit: ca. 1455-1460
Beschreibstoff: Papier. Zwei eng verwandte, zusammengehörige Wz. mit je mind. einer Var.: Ochsenköpfe mit einkonturiger Stange, Stern, Augen u. Nasenflügel, die sich zur Gruppe BR. Nr. 14180-14183 (aus den Jahren 1435-1459) stellen. Eines ähnl. Piccard 2,1, Abt. IX, Nr. 38-39 (Culemborg, Graf, Lobith, Münster i. W., Nijmegen, Utrecht, Xanten, Montbeliard, 1451-1456). Ein Vergleich in der Piccard- Wasserzeichenkartei im Hauptstaatsarchiv Stuttgart ergab insgesamt 3 Zeichen aus den Jahren 1449-1455, die alle aus Arnheim (Niederlande) stammen u. unseren Wz. zumindest sehr nahe stehen. Der hintere Spiegel aus Papier anderer Qualität u. mit anderem Wz. (Schild, Wappen), ähnl. BR. Nr. 1128 (Freusburg 1561), jedoch ohne Krone. Die BR.-Nrn. 1129-30 (1594-1605), welche dieselbe Schildeinteilung, jedoch mit mehr Sparren und Balken zeigen, stellen das Wappen der Grafen von Hanau-Rieneck-Münzenberg dar.
Umfang: 106 Bll.
Format: 21,5 x 29,0
Seitennummerierung: Alte Foliierung 8-120, Fabelzählung [1]-84 (Sprung von 35 auf 37 u. 71 auf 73).
Lagenstruktur: 11 Lagen (Sexternionen): VI (-8)11 (?) + 2 VI35 + VI (-1)47 + VI59 + VI(-5)71 1+ VI(-1)83 + 3 VI119 + I(-1)120. Die 1. Lage besteht heute noch aus 2 zusammengeklebten u. aus dem Buchblock gelösten Einzelbll. sowie aus 2 weiteren einzelnen Bll., die noch im Buchblock sitzen. Wenn wir von der Bl.zählung ausgehen, die mit 8 einsetzt, so können wir wohl ein ursprüngliches Sexternio ansetzen, wobei die erste Seite nicht gezählt wurde (leer?). Es fehlen somit die ersten 8 Bll., dazu in der 4. Lage Bl. 44, in der 6. Lage die Bll. 66-70 u. in der 7. Lage Bl. 82. Die letzte Lage besteht aus einem Einzelbl. mit Rest des letzten Bls. der ursprünglichen Lage (Teil der Reklamante lesbar). Es fehlen also bis zu 11 Bll. sowie mind. eine weitere Lage, aber kaum mehr. Von den Bll. 44, 66-70 u. 82 finden sich noch Bl.reste. Wortreklamanten an den Lagenenden (11v rot, Rest schwarz).
Zustand: Einband wurmstichig, fleckig, vielfach abgestoßen u. abgerieben. Unteres Kapital liegt frei, ein Stück der unteren Ecke des Hinterdeckels abgebrochen. Buchblock gut erhalten, das Papier an den Kanten leicht brüchig, die Ränder etwas abgegriffen. Papier bisweilen fleckig (vor allem Stockflecken).
Seiteneinrichtung: Schriftraum: Der eingezeichnete Textrahmen mißt ca. 11,9-12,2 x 19,0, wird jedoch in der Breite selten ausgenutzt. Einspaltig, 27-30 Z. pro S.
Schrift und Hände: Steile, klare oberrhein. Bastarda einer einzigen Hand, dem Duktus anderer Hss. aus der Lauber-Werkstatt verwandt, insbesondere Laubers Hand (aber wohl kein Autograph).
Buchschmuck:
  • Rubrizierung durch Schreiberhand (die rote Strichelung fehlt 100v und 101r, wie auf dieser Doppelseite überhaupt auch Alinea-Zeichen u. Initiale des Fabelbeginns nicht ausgeführt sind).
  • In der Regel zu jeder Fabel nach der Überschrift oder im Textverlauf Raum (ca. 8-12 cm; 8v ganze Seite nach der Überschrift) für eine, gelegentlich auch 2 oder 3 Ill. ausgelassen. Auf eine Bilderhs. als Vorlage weisen die zahlreichen, rot ausgeführten lat. Anweisungen für den Zeichner hin, die oft an ungewöhnlicher Stelle - vor der dt. Fabel-Überschrift - angebracht sind, so daß sie wie Überschriften wirken (daß es sich wirklich um Anweisungen für den Illustrator handelt, beweist der Wortlaut des Eintrages Bl. 37v: Sequitur ymago regis … ):
    • 9v Sequit[ur] sagittari[us] cum ballista sagitans q[uo]ddam animal cu[m] sagitta sua, q[uod] a[n]i[m]al vo[ca]t[ur] tigr[is] (Pfeiffer [s. u.] 3);
    • 11v Sequit[ur] miluus cu[m] rana et mure [etc] (Pfeiffer 6);
    • 13r Seq[ui]tur rex sedens p[ro] t[ri]bunali in sua mariestate [sic] et canisfaciens querelas [con]tra ovem et in testis p[ro]ducit lupu[m] et wltures ut seq[uitur] (Pfeiffer 7);
    • 17r Seq[ui]t[ur] arbor (Pfeiffer 4);
    • 18r Sequit[ur] lupus, cui angn[us] turbavit rippam [etc] (Pfeiffer 5);
    • 23r Sequit[ur] serpens cu[m] ingne et vir in domo cu[m] cupide ut h[ab]e[tur] in fabb[ul]a (Pfeiffer 13);
    • 25v Seq[ui]t[ur] mus domastica ad silvestren (Pfeiffer 15);
    • 31r Seq[ui]t[ur] antiquus leo et aper mordens ip[su]m et bosz [et] asin[us] ut seq[ui]t[ur] fab[u]la (Pfeiffer 19);
    • 36v Se[quitur] semanto[r] [con]t[ra] volücres [etc] (Pfeiffer 23);
    • 37v Seq[ui]t[ur] ymago regis sedent[is] in maiestate sua tenens zept[rum] (Pfeiffer 24);
    • 42v Sequit[ur] lupus cu[m] stroffa (Pfeiffer 28);
    • 51v Seq[ui]tur lup[us] sedens p[ro] t[ri]bunali versus hircu[m] exuna et ovis p[ar]tib[us] exaltera (Pfeiffer 35);
    • 79v Seq[ui]t[ur] asin[us] onorat[us] cu[m] sacco et eq[uus] p[re]cios[us] cu[m] suo [et] sella dê arao [deaurata?] (Pfeiffer 51);
    • 81v Seq[ui]t[ur] pat[er] cum filio h[abe]ntes asinulm), q[uem] insedit pat[er] filio ambulante p[er] pedes, q[uem] ho[m]i[n]es deridebant ut se[quitur] in fab[u]la (Pfeiffer 52);
    • 83v Seq[ui]t[ur] pat[er] et fili[us] cu[m] asino non eq[ui]tantes, q[uo]s deridebant homines (Pfeiffer 52);
    • 84v Sequit[ur] p[ate]r cu[m] filio p[or]ta[n]tes asinu[m] [etc] (Pfeiffer 52);
    • 85r Seq[ui]t[ur] mulier excorians asinu[m] p[ro]pt[er] suam diffamiam exoratu[m] (Pfeiffer 53);
    • 93v Se[quitur] tres mulieres speciosi nimis stantes in vicem (Pfeiffer 58).
    Bisweilen vor dem ausgesparten Raum von gleicher Hand, rot: fig[ur]. Eine größere, 6 Z. hohe Initiale 9r, rot mit grünem Besatz, Aussparungen im Buchstabenkörper. Die meist 3 Z. hohen Initialen in grün oder rot für die Anfange der einzelnen Fabeln sind in der Art, wie man sie bei den Hss. der Lauber-Werkstatt des öftern findet (rudimentäre Verzierungen, bisweilen Aussparungen). Die V.anfänge der Kopfzeilen sind z. T. nach oben verlängert u. recht kunstvoll ausgeführt u. verschnörkelt.
Spätere Ergänzungen: Vielfach Korrekturen durch den Schreiber u. Nachkorrekturen durch den Rubrikator.
Einband: Heller Schweinsledereinband auf Holzdeckeln, wohl aus dem 16. Jh., wurmstichig. Doppelte Streicheisenverzierung auf Vorder - u. Hinterdeckel (doppelte Feldbegrenzung u. Rautenmuster im Feld). Auf dem Vorderdeckel Spuren eines früheren Titelschildes, weggerissen. Gegen die Seitenkante des Hinterdeckels zu 2 leichte Vertiefungen, wohl für Schließen. 4 doppelte erhabene Bünde. Kapitale mit Heftfaden umnäht. Vorderer Spiegel herausgerissen, übriggebliebene Spuren weisen auf das selbe Papier wie für den hinteren Spiegel. Darunter Reste von Papier wie für den Textteil verwendet. Aufdem blanken Holz Schriftabklatsch eines offenbar lat. Textes in Bastard- oder Kursivschrift (15./16. Jh.). Nur wenige einzelne Wortteile lesbar. Jüngeres Papierschild mit Tinteneintrag Der Edelstein (Fabelbuch) / von / Ulrich Boner, Predigermönch in Bern / 1324-1349. / Handschr. aus d. 15. Jahrh. Über der letzten Zeile Bleistiftnachtrag Mitte des. In der linken oberen Ecke des Schildes Bleistifteintrag IV LI147 1 $ 400 (Kraus?). Hinterer Spiegel von anderer Papierqualität als für den Text (vgl. Wz., heute abgelöst). Die üblichen Vermerke der Bodmeriana u. ein weiterer Bleistifteintrag von anderer Hand betreffend die fehlenden Bll. der Hs. Unter dem Spiegel ein langer Papierstreifen (Papier wahrsch. wie für den Textteil) mit alten Tintenvermerken 168, [ Symbol, siehe PDF], Item (Federproben?). Textabklatsch auf dem Holz wie beim Vorderdeckel. Beim Binden zur Verstärkung Perg.makulatur verwendet. Auf einem der Streifen Fragmente eines lat. Textes religiösen Inhalts, in einer zierlichen got. Buchminuskel viell. des 13. Jhs.
Hauptsprache: alem.-els.
Inhaltsangabe:
  • 1. 8r-120v Ulrich Boner: 74 Fabeln aus dem „Edelstein“
    Die ersten 8 Bll. fehlen. Die Hs. setzt mit V. 17 der Fabel 1 bei Pfeiffer (s. u.) ein. Das folgende Stück (Pfeiffer 2) trägt in unserem Cod. die Nummer 3, so daß wir davon ausgehen können, daß auf den nicht erhaltenen Bll. Inhaltsverzeichnis und Vorrede (wohl als Nr. 1 gezählt) gestanden haben. Das Ms. überliefert in seinem heutigen Zustand 74 Fabeln aus Boners „Edelstein“. Zusätzlich werden 4 weitere, pseudobonerische Stücke eingestreut. Jede Fabel mit dt. Überschrift, welche den Inhalt angibt und/ oder die moralische Deutung vorausnimmt.
    hette dich meister Ypocras,(Pfeiffer 1, V. 17)
    der kunde din geniessen basz
    dann ich, du bist unerkant.
    Der han warff hin den stein zu hant
    oder dry leit alle tag,
    das was des herzen graste klag.
    Sin gitikeit in des bezwang,
    die vast in sinem hertzen rang(Pfeiffer 80, V. 10)
    Textgeschichte:
    Bis heute sind 36 Hss. und 2 Drucke bekannt. Unser Cod. nach dem neuen Hss.-Verzeichnis von Bodemann/Dicke (s. u.) Hs. G der Überlieferung. Nach Pfeiffer (Ausg., S. 186-188) 3 Hauptklassen von Hss.: Kl. I: 100 Fabeln mit Vor- u. Nachrede; Kl. II: Gewöhnlich 90 Fabeln. Es fehlen die Vorrede u. die Stücke 1, 54, 56, 59, 64, 66, 71, 75, 81 u. 83; Kl. III: Wie Kl. II. Es fehlen aber zusätzl. die Fabeln 95-100 u. die Schlußrede. Die Klassen II u. III haben zudem für die ersten 11 Fabeln eine gemeinsam abweichende Reihenfolge: 2, 3, 6, 7, 9, 12, 4, 5, 8, 10 u. 11. Bestand im Cod. Bodmer 42: Prolog (erschlossen) u. 1 wie Kl. I (S2 und H3) ohne Ia, aber mit K 1 (Kl. II) u. K2 (Kl. III). Dann die Nrn. 2-3, ein anonymes Tierbispel (s. u.) 6-7, 9, 12, 4, 5, 8, 10-11 wie Kl. II (Kl. IIa fehlt 12) u. die meisten Hss. v. Kl. III (außer Bispel). 13-48 wie Kl. I (Ia fehlt 28) u. II (IIa fehlen 18, 37 u. 48; 48 fehlt auch in B 1 von Ia, K 1 von II und Fr von III). Wegen Bl.verlust fehlen in G 29, 44 (V. 49ff.), 45-46 u. 47 (V. 1-99). Zw. 17 u. 18 ein anonymes Tierbispel, anonyme Reimpaarfabeln zw. 29 u. 30 und 31 u. 32. G schiebt als einzige Hs. der Überlieferung Nr. 56 zw. 48 u. 49. Im übrigen 49-65 wie Kl. I, während Ia, II (außer K1), IIa u. III die Nrn. 54 u. 56 auslassen, Ia dazu 61, IIa u. II (u. S3, W3 von II) 59 u. II (außer S1), IIa u. III die Nr. 64. Von 52 fehlen G die Verse 9-39 wegen Bl.verlusts. G läßt mit II (außer S1), IIa u. III die Nr. 66 aus (interessant dabei der Sprung der Zählung in G von 71 [Pfeiffer 65] auf 73 [Pfeiffer 68]!). G. schiebt als einzige Hs. Nr. 67 nach Nr. 70 ein, 68-70 wie alle Klassen. Mit IIa (+ S3 u. W3 von II) u. III Auslassung von Nr. 71; 72-74 wie alle Klassen. (Ia schiebt 83 nach 71 u. 61 nach 73 ein), Ausfall von 75 wie Kl. II (außer S1), IIa u. III. 76-80 wie alle Klassen. Von Nr. 80 nur die Verse 1-10 erhalten, restliche Verse u. Stücke fehlen wegen Bl.- u. Lagenverlusts. Deshalb auch nicht zu entscheiden, ob G wie Kl. III mit Nr. 94 oder aber mit Nr. 100 u. der Schlußrede wie die Klassen I u. II endet. Wir haben es mit einer ausgesprochenen Mischhs. zw. I u. II und/oder III zu tun. Am wenigsten verwandt sind die Klassen Ia u. IIa. Von den überlieferten Hss. steht G vom Gesichtspunkt des Fabelbestandes K1 (Karlsruhe, Landesbibliothek, cod. Ettenheimmünster 30; Kl. II), etwas weniger K2 (Ebd., cod. Ettenheimmünster 37; Kl. III) am nächsten. Im neuen Stemma von Bodemann/Dicke (S. 463) viell. im Umkreis von *XY2 (mit S1, K1, C, S3 u. *K2, woraus sich der Bestand von G rekonstruieren läßt). Interessant ist, daß sowohl in K1 als auch in K2 Ill. vorgesehen waren, aber wie in unserem Cod. nicht ausgeführt wurden. Bodemann/Dicke schlagen 2 Bestandesarchetypen (einer mit 100, der andere mit 84 Stücken) vor, die durch horizontale Überlieferung miteinander verbunden sind. G. Dicke bestätigt in einer ersten briefl. Beurteilung auch von der textlichen Seite das Urteil von G als einer ausgesprochenen Mischhs., allerdings eher zw. Kl. II u. III. Auf den ersten Blick scheint ihm eine Anbindung an den Knoten *Y2 am plausibelsten.
    Die maßgebliche Ausg. ist noch immer: Franz Pfeiffer (Hg.), Der Edelstein von Ulrich Boner (Dichtungen d. dt . Mittelalters 4). Leipzig 1844. Eine neue Boner-Ausgabe in Münster (Bodemann u. Dicke) in Vorbereitung. Vgl. Pfeiffer, Ausg., S. 186-233; Anton Schönbach, Zur Kritik Boners. In: ZfdPh 16 (1875), S. 251-290; Doris Fouquet, Einleitung zu: Ulrich Boner, Der Edelstein. Faksimile der ersten Druckausgabe Bamberg 1461. 16. I Eth 2° der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel. Stuttgart 1972, S. 7ff.; Ulrike Bodemann u. Gerd Dicke, Grundzüge einer Überlieferungsund Textgeschichte von Boners "Edelstein". In: Oxforder Koll., S. 424-468.
  • 2. 11v Anonymes Tierbispel: Katze und Maus
    >Wie ein herre sinen amptlu̍ten ungetruwen boͤsen lon gitt<
    Eins mols ein katze ein mu̍selin viͤng,
    gar hu̍bschlich sie mit im umb giͤng.
    Nuͤ trach sus hin, nuͤ trach sus har,
    der schimpff die müsz maht fröid(e) bar.
    Mit flücht hub su̍ sich usz der not,
    des beisz die katz die musz zuͤ tot.
    Vil herzen gont den selben weg
    gen dienern, die jn diene(n)t jn ir pfleg.
    Su̍ ruͤpfentz hut und ruͤpfentz morn,
    zuͤm letsten sint sie zu̍ wol verlorn.
    Vgl. Dicke/Grubmüller, S. LVII, Anm. 126.
    Ein Exemplum gleichen Inhalts, aber mit anderer Auslegung in einer Hs. d. 14. Jhs. des British Museums (Harley 268f. 32b, Nr. 130), vgl. Tubach, Nr. 892.
  • 3. 29v-30r Anonymes Tierbispel: Mann und Sperber
    >Von versehener gehorsamkeit<
    Ein man einen sperwer hat
    in einer stat, das er sin aht
    hat und im zuͤ hande kan,
    als dick so er in wolt han.
    Do fuͤr er hin gon walde felde,
    do er sach bom und welde.
    Als er in liesz fliegen von d[er] hant,
    siner meister er nit me kant.
    ¶ Ein jung wib ein alter man
    in eren mag zü hüse behan.
    30r Wil er sie hin usz hin schicken,
    do sie sicht tantzen, springen, blitzen,
    der kert dick iunges wibes muͤt
    us altes mannes forht und ruͤt.
    Wer ein junges pfert zemet wol,
    so got es als es sol.
    Zemet man es aber ringe,
    so lat es nit siner spru̍nge.
    Der dise dru̍ welle in eren han,
    der zoͤme su̍ wol, do gewint er an.
    Dan frowen, pfert und feder spil,
    hund tru̍w ist der ist nit vil.
    Vgl. Dicke/Grubmüller, S. LVII, Anm. 126.
    Anderswo nicht nachzuweisen. Die Vergleichswelt ist jedoch im Mittelalter geläufig, vgl. z. B. den Sperber in Freidanks „Bescheidenheit“, 48, 19.
  • 4. 45r-45v Anonyme Reimpaarfabel: Fliege und Spinne
    Der Anfang fehlt wegen Bl. verlusts (Bl. 44), Bl. 45r zudem zu 2 Dritteln für Ill. frei . Nur noch die restlichen 12 V. erhalten:
    mir gevellet din husz nit wol,
    es düncket mich betrogenheit vol.
    Kem ich dar in gegangen,
    villicht moͤht ich gehangen.
    Hie vor ist wit, lang und ouch breit,
    das mir din netz nit duͤt zuͤ leit.
    Wer in das netz die fliege komen,
    die spinn hett ir ir leben genomen.
    Also vint man yetz manigen man,
    der mit schoͤnen worten kan
    45v zuͤ huse lu̍te laden,
    zuͤ jrem grossen schaden.
    Dicke/Grubmüller Nr. 538. Vgl. auch Thompson, K 815, 2.
  • 5. 47v-48r Anonyme Reimpaarfabel: Scheintoter Fuchs und Krähen
    >Von schalckeit des fuͤchsen<
    Einen fuͤhs den hunger zwang,
    das er sich in eine furch lang
    leit, als ob er woͤre tod.
    Des worent die kregen zu̍ im not
    und wonent sin geniessen.
    Sin boszheit one verdriessen
    treip er, untz sie in rüpfietent
    begunden und zuͤ stroffent.
    48r Do eygete (?) er sin schalckeit:
    Eine krege erwust er do so bereit
    und lief! da mit hin zuͤ walde.
    Sin trogenheit ist manigvalde.
    ¶ Der fuͤchs vindetet [sic] man yetze gar vil,
    die liessen kinden uff ir spil,
    bitz das su̍ werdent jnnen,
    das in nit mag entrinnen.
    Dar uff sie ir sin[n]e und gesetzet,
    das wirt von in denn gar verhetzet.
    Dicke/Grubmüller Nr. 206. In der Fabellit. sehr verbreitet (Jacques de Vitry, Odo von Cheriton, Reinke de Vos u. a.).
Entstehung der Handschrift: Schrift, Einrichtung (Rubrizierung, Initialen, Überschriften, Raum für Illustrationen, zusammengeklebte Einzelbll.), Entstehungszeit, Dialekt sprechen alle für ein Produkt der els. Schreiberwerkstatt Diebold Laubers (urk. 1449-1455, von ca. 1427-1467 tätig) in Hagenau, u. zwar aus der Spätzeit der Werkstatt. Es handelt sich viell. um das früheste erhaltene Stück dieser Phase, wurde allerdings kaum vor 1455, eher Ende der 50er Jahre geschrieben (freundliche Auskunft Lieselotte E. Saurma-Jeltsch, Basel/Frankfurt/M.).
Provenienz der Handschrift: Die Hs. gehörte wohl zu den auf Vorrat hergestellten Kopien, die dann bei schlechtem Geschäftsgang verkauft wurden, viell. auch an frühere Kunden. Unter diesem Blickwinkel ist das Wz. des hinteren Spiegels besonders interessant, das auf einen Vorbesitz der Grafen von Hanau-Rieneck-Münzenberg deuten könnte, die bekanntermaßen zum Käuferkreis von Lauber-Hss. gehörten (Auskunft Saurma-Jeltsch). Die Zeichnungen wurden nicht mehr ausgeführt. Der „Edelstein“ paßt im übrigen ausgezeichnet in das „Verlagsprogramm“ Laubers (volkstümlicher Inhalt, beliebtes Werk). Es wurde bereits bisher vermutet, daß sich unter dem ysopus gemolt in zwei Verlagsanzeigen Laubers (vgl. Rudolf Kautzsch, Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau . In: Centralblatt f. Bibliothekswesen 12 (1895), S. 1-32 u. 57-113, hier S. 110) bzw. hinter dem bispyl bůch genant der werlt lǒff gemǎlt in einer dritten Verlagsanzeige (vgl. Bodemann/Dicke [s. u.], S. 435, Anm. 31) Boner-Hss. verborgen haben könnten. Der Besitzerstempel auf dem ersten Blatt (8r), Schild mit 3 Mühleisen (?) u. einem Kreis (Mühlstein?) weist auf einen nicht identifizierten Vorbesitzer der bereits unvollständigen Hs. Auch weitere Vorbesitzer sind namentlich keine bekannt.
Erwerb der Handschrift: Martin Bodmer erwarb den Cod. im Januar 1956 von H. P. Kraus, New York. Im „stockbook“ von Kraus ist der Name des „dealer in Frankfurt“ (so Kraus in einem Brief an Bodmer vom 6. 2. 56) leider kaum mehr zu entziffern: „Peter ... acher, Fft., 8/31/55“, was am ehesten auf Peter Naacher, Buchhandlung und Antiquariat, Frankfurt a. M., weisen könnte (nicht bestätigt). Eine Hand wohl dieses Jhs. (viell. dieselbe des Schildes im vorderen Innendeckel) fügte den Fabeln am Rande in Bleistift die Nummern bei Pfeiffer bei, vermerkte fehlende oder zusätzliche Stücke u. herausgerissene Bll. Keine weiteren Leservermerke.
Bibliographie:
  • Bodemann/Dicke, S. 467f. (Nachtrag).