St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 555
Euw Anton von, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, Band I: Textband, St. Gallen 2008 (Monasterium Sancti Galli, Bd. 3), S. 357-358, Nr. 60.
Handschriftentitel:
Adamnán von Hy, Vita sancti Columbae
Entstehungsort: St. Gallen
Entstehungszeit: 3. Viertel d. 9. Jh.
Katalognummer:
60
Umfang:
166 pp., zwei Papiervor- und -nachsatzblätter
Format: 19 x 14 cm
Lagenstruktur:
Quaternionen: 1
8 (p.
5-
20), 2
8 (p.
21-
36) usw.
Seiteneinrichtung:
Schriftspiegel 13 x 11,6 cm, einspaltig zu 18 Zeilen.
Schrift und Hände: Karolingische Minuskel von mehreren Schreibern.
Buchschmuck: -
Anfänge der Kapitel mit Majuskeln in Minium, Tinte oder Grün. P. 166 Federzeichnung in hellbrauner Tinte.
-
Schmuck: Wir beschränken uns auf p. 166 mit der Federzeichnung des hl. Columba (um 521-597). Der Heilige steht ohne Nimbus als Orans, gekleidet in die lange Tunika und die knielange anianische Kukulle, das Haupt tonsuriert, auf einem Hügel. Sockel u. Figur überfängt eine Arkade mit schmückendem Velum. Über dem Haupt des Mönches steht in Uncialis S. COLVMBA, rechts darunter in Minuskelschrift scs. columba. Am rechten Bildrand erhebt sich, leicht übereck gestellt, ein Steinblock, auf den ein zweiter kleinerer, pultförmig abgeschrägter aufgesetzt ist. Darauf stehen zwei Reliquienschreine, links ein größerer hausförmiger mit Dachkamm und zwei großen Bergkristallen auf der Seitenwand, rechts ein kleinerer, wohl mit turmförmigem Aufsatz. Ihnen scheint sich der Heilige zuzuwenden.
Einband:
Pergament, an den Seiten zum Zubinden zwei grüne Seidenbänder. Die Vorsatzblätter tragen die Wasserzeichen des Abtes
Beda Angehrn (1767–1796; vgl. Nr. 37, 100, 111, 112), was auf eine Umbindung der Hs. am Vorabend der Französischen Revolution schließen lässt. Vielleicht trug auch diese Hs. einen kostbaren Einband mit Elfenbein- und Goldschmiedearbeit.
Inhaltsangabe:
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p. 5-163
Adamnán von Hy:
Vita sancti Columbae
Entstehung der Handschrift:
Die Zeichnung wurde von einem begabten Zeichner als späte Würdigung des irischen Mönchsvaters Columba auf die leer gebliebene Schlussseite der Hs. entworfen (vgl.
Nr. 54,
57). Nach dem Stil darf sie gewissermaßen als Vorläuferin der Zeichnungen im Psalterium aureum (
Nr. 98) betrachtet werden. Der Gewandstil setzt Werke der westfränkischen Schulen (Utrecht-Psalter) voraus, die Bodenformation hat ihre Entsprechungen in der Zeichnung von
Sang. 855 (Nr. 56) u. im Goldenen Psalter, die kugeligen Basen u. Kapitelle finden sich als Relikte im jüngeren St. Galler Verbrüderungsbuch (Nr. 37) wieder. So dürfte die Zeichnung etwas später als die Hs. um 860-870 entstanden sein. Diese ist eine Schaffhauser Abschrift der Vita des hl. Columba,
Ms. Gen. 1 der Stadtbibliothek Schaffhausen, geschrieben vom irischen
Mönch Dorbbéne vor 713 auf der Insel Iona (= Hy) u. kam offenbar über St. Gallen auf die Reichenau, später nach Schaffhausen. Sang. 555 kann mit der «Vitam sancti Columbae in volumine I» im Verzeichnis der von Hartmut für Abt Grimald (841-872) erworbenen, in
Sang. 267 verzeichneten Bücher identifiziert werden (MBK I, S. 84, Z.29).
Bibliographie:
- William Reeves (ed.), The Life of St. Columba, founder of Hy, written by Adamnán, Dublin 1857, S. XXVII (Nachzeichnung der Columba-Zeichnung)
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Scherrer
, S. 175
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Bruckner III, S. 108
- Johannes Duft, St. Columban in den St. Galler Handschriften, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 59, 1965, S. 285-296
-
Duft, Abtei St. Gallen I, S. 53
- Peter Ochsenbein, Karl Schmuki, Anton von Euw, Kat. Irische Buchkunst. Die irischen Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen und das Book of Kells, St. Gallen 1990, S. 44, Abb. S. 49
- René Specht, Das Leben des hl. Columba. Eine irische Handschrift in der Stadtbibliothek Schaffhausen, in: Kat. Irland und das Book of Kells, Ausstellung im Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen 21. Februar - 12. April 1992, Zürich 1992, S. 34-35, Abb. S. 34
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von Scarpatetti, Codices hagiographici, S. 27